Alle: Schadenersatz bei Nichtlieferung?

Da Fälle wie der folgende immer wieder vorkommen und meistens irgendwann die Frage nach den rechtlichen Möglichkeiten auftaucht, möchte ich diese gern hier diskutieren. Es ist kein Geheimnis, dass ich mich selbst gerade in einer entsprechenden Lage befinde, doch wünsche ich ausdrücklich keine Rechtsberatung im Einzelfall sondern lediglich einen Austausch von Meinungen und Erfahrungen zu solchen Fällen im Allgemeinen.

Gehen wir also vom hypothetischen Fall eines privaten Käufers A aus, der ein EU-Neufahrzeug über einen Händler B bestellt. Der Händler nennt in der Bestellbestätigung eine unverbindliche Lieferfrist. In Bs AGB steht, dass der Verkäufer 6 Wochen nach Ablauf einer unverbindlichen Lieferfrist das Recht hat, zur Lieferung aufzufordern und dass der Verkäufer damit in Verzug gerät. Sobald dies der Fall ist, hat der Käufer das Recht, vom Vertrag zurückzutreten (die Pflicht, eine zusätzliche angemessene Frist zu setzen, haben laut AGB ausdrücklich nur Unternehmer oder öffentlich-rechtliche juristische Personen). Außerdem hat er bei leichter Fahrlässigkeit des Verkäufers Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens. Dieser Anspruch beschränkt sich auf 5% des vereinbarten Kaufpreises, kann jedoch auch höher oder niedriger angesetzt werden, wenn Käufer oder Verkäufer einen entsprechend höheren oder niedrigeren Schaden nachweisen.

Gehen wir des Weiteren davon aus, dass B das Fahrzeug weder innerhalb der Lieferfrist noch innerhalb der folgenden 6 Wochen liefern kann. Welche Rechte hat nun der Käufer A?

Meine Auffassung hierzu:
- Leichte Fahrlässigkeit ist erfüllt, da B selbst die Lieferfrist genannt hat, an die er sich nicht halten kann. A hat somit das Recht, vom Vertrag zurückzutreten und Schadenersatz einzufordern.
- Wenn A zurücktritt und sich ein vergleichbares, sofort verfügbares Fahrzeug kauft, so ist die Differenz des Kaufpreises als Verzugsschaden anzusehen.
- Diese Differenz kann A in voller Höhe dem B in Rechnung stellen. Das gilt auch, wenn sie größer als 5% ist, sofern A nachweisen kann, mehrere Angebote - sagen wir mindestens 3 - verglichen und das günstigste gewählt zu haben.

Wer teilt meine Auffassung, wer sieht die Sache anders und wo könnten mögliche Fallstricke liegen?
 
Kleine Korrektur: Es würde sich bei Ersatzkauf nicht um einen Verzugsschaden sondern um Schadenersatz statt Leistung handeln. Die Konsequenzen dürften aber die gleichen sein.
 
Ich denke mal das größte Problem an der Sache wird sein dem Händler B eine Fahrlässigkeit nachzuweisen, denn er ist ja abhängig von seinem Lieferanten C, worauf er selber ja keinen Einfluß hat.

Zurücktreten vom Vertag kannst du denke ich auf jeden Fall, aber ob du Anspruch auf Schadensersatz hast, das müsstest du bestimmt vor Gericht ausfechten, denn der Händler B wird ihn bestimmt nicht freiwillig rausrücken. Und das kann sichlich eine langwierige Geschichte werden, und ob du daran besondere Freude hast ist auch fragwürdig.

Ist nur meine Meinung.
 
Ich denke mal das größte Problem an der Sache wird sein dem Händler B eine Fahrlässigkeit nachzuweisen, denn er ist ja abhängig von seinem Lieferanten C, worauf er selber ja keinen Einfluß hat.
Fahrlässig ist von ihm aber, sich auf eine Lieferfrist festzulegn, die er nicht einhalten kann. Das Risiko, dass ihn sein Lieferant im Stich lässt, ist seines. Der Vertragspartner von A ist allein B, niemand sonst. (Ebenfalls nur meine Meinung, lediglich durch ein bisschen Googeln untermauert.)
 
Wobei ich mir trotzdem sicher bin, das das ganze dann auf einen Rechtsstreit hinausläuft, der sich sicherlich auch noch in die Länge ziehen wird. Und der kostet Geld (wenn man keine Rechtsschutzversicherung hast) und vor allem Nerven und bringt erstmal auch kein neues Auto.....
 
Meine laienhafte Meinung dazu - einfach basierend auf deinen Annahmen:
Aus der Fahrlässigkeit kommt der Händler vermutlich raus:
Er wollte den Wagen vereinbarungsgemäß liefern,
er nannte übliche Lieferzeiten, die von ihm bisher immer eingehalten werden konnten und ihm eventuell vom Vorlieferanten genannt wurden,
es passierte etwas (für ihn) unvorhersehbares,
der Verzug ist nicht durch ihn zu vertreten,
ergo ist es nicht fahrlässig von ihm.
Man kann sowas wie ein persönlich konfiguriertes Auto nun mal schlecht erst verkaufen, wenn es fertig ist.

Es wäre sicher wünschenswert, wenn man da was machen könnte.
Es ist für den Kunden ansich eine Zumutung, weil nicht oder schlecht planbar, was die KFZ-Industrie hier macht: "Unverbindliche Liefertermine" und die dann teilweise 4-8 Monate später.

Aber ich vermute, dass du außer dem Rücktritt vom Vertrag, der alleine durch die Tatsache des Nicht-Lieferns gerechtfertigt ist, kaum Chancen hast.
Von einem so gelebten und praktiziertem Recht hätte man schon mehr gehört oder gelesen.
Denn die hier erfahrene Situation ist ja nicht einmalig und bei anderen Marken und auch hin und wieder bei deutschen Vertragshändlern (auch anderer Marken) schon zig mal vorgekommen.

Und da dann mit "sein Pech bzw. sein Risiko" heran zu gehen, ist zu einfach.
Deswegen gibt es ja hier den Stichpunkt "Fahrlässigkeit".
wenn immer der Händler haften würde (und noch Schadenersatz!), wenn was schief läuft, dann gäbe es kaum noch (seriöse) Händler.
Schon das Fernabsatzgesetz wird missbraucht und an vielen Stellen (betrügerisch) ausgenutzt. Man kann nicht alles auf den Handel abwälzen!

Versetz dich einfach mal in die Situation eines durchaus seriösen Importeurs.
Was hätte er anders machen sollen oder können?
Es ist ein Geschäft mit vielen Abhängigkeiten, die er nicht beeinflussen kann.
Das Liefertermin-Risiko ist durch die Zwischenstationen deutlich höher als bei inländischen Vertragshändlern.

Und "Feinde" gibt es auch einige:
- der Hersteller (Missbrauch der weltweiten Verkaufsstrategien)
- die inländischen Händler (Verlust eines Teiles des Marktes bzw. der Kunden)
- die ausländischen Händler (gegebenenfalls Verknappung der Ware und Lieferzeiten durch Kontingentüberlauf)
....

Ärgerlich wie es für den Betroffenen ist.
Reimport und EU-weiter Handel mag zwar legal sein, ist aber bei vielen auch unerwünscht und bei einer Ware mit Lieferzeit auch riskant durch die Betroffenen, denen das nicht passt und deren Einfluß.
Das sollte jeder wissen, der sich auf sowas einlässt.

Also ganz klar: wenn du dem Händler nicht Fahrlässigkeit nachweisen kannst, wie z.B. eine verschlampte Bestellung o.ä., dann wirst du kaum eine Chance haben. Und ohne das wird vermutlich noch nicht mal ein Anwalt aktiv oder die Rechtsschutz würde es nicht tragen mangels Erfolgsaussichten.
Nur meine Meinung zu dem Thema ... :cool:

Gruß,
Martin
 
Defintion Fahrlässigkeit gemäß BGB....

....
Fahrlässigkeit

Zivilrecht:
Außer Acht lassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt.
Der Begriff ist in § 276 Absatz 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) für das Zivilrecht legal definiert.

Fahrlässig setzt Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit voraus.
Fahrlässig handelt demnach:

  • sowohl derjenige, der den Schaden zwar voraussieht, aber hofft, er werde nicht eintreten (bewusste Fahrlässigkeit),
  • als auch der, der den Erfolg nicht voraussieht, ihn aber bei Anwendung der verkehrsüblichen Sorgfalt hätte voraussehen müssen (unbewusste Fahrlässigkeit).
Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn diese Sorgfaltspflicht in besonders grobem Maße missachtet worden ist.
Die Sorgfaltspflicht beurteilt sich im Zivilrecht anhand eines objektiv-abstrakten Maßstabs.
Von dem Handelnden kann ohne Rücksicht auf seine individuellen Fähigkeiten erwartet werden, dass er mit der Sorgfalt vorgeht, die eine besonnene und gewissenhafte Person des betroffenen Personenkreises an den Tag legt. Tut er das nicht, handelt er fahrlässig.

Und nun meine persönliche Wertung:

Der Händler/Vermittler erkundigt sich vor Vertragsabschluß bei seinem Lieferanten nach den zurzeit vorliegenden unverbindlichen Lieferzeiten und gibt diese Aussage dann an seinen Kunden weiter. Er hat also die erforderliche Sorgfalt walten lassen, die von ihm als gewissenhafte Person abverlangt werden kann. Bei einer nun eintretenden und nicht von ihm zu vertretenden Lieferverzögerung ist er nicht haftbar, da keine Fahrlässigkeit vorliegt.
 
Danke Leute, genau das wollte ich mit diesem Thread bezwecken - unterschiedliche Meinungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln hören, um zu sehen, welche Punkte unstrittig sind und welche der Auslegung bedürfen (in dem Fall also vor allem die Frage der Fahrlässigkeit).
 
Update: Ich habe mal bei der telefonischen Rechtsberatung angerufen, die meine Rechtsschutzversicherung anbietet. Der Anwalt sieht es ebenfalls so, dass Schadenersatzansprüche an der Frage der Fahrlässigkeit scheitern dürften. Erstens ist es noch keine (auch nicht leichte) Fahrlässigkeit, wenn der Verkäufer einen Termin nennt und diesen nicht halten kann. Zweitens wäre, selbst wenn tatsächlich eine leichte Fahrlässigkeit vorliegt, der Beweis schwer zu führen. Von daher seine klare Aussage: Rücktritt vom Vertrag ist kein Problem, aber mehr ist in aller Regel nicht drin.
 
Ich grabe den Thread mal aus, nachdem ich mich in den letzten Tagen ein bisschen tiefer in die Materie eingearbeitet habe, indem ich Juristen gefragt und auch selbst die relevanten Gesetze und dazugehörigen Kommentare studiert habe.

So wie ich es inzwischen sehe, ist die Frage der Fahrlässigkeit nicht so entscheidend wie in diesem Thread bisher angenommen. § 276 Abs.1 Satz 1 BGB weist dem :mrgreen: ein Beschaffungsrisiko zu, dass er in jedem Fall zu vertreten hat.

Jurawelt schrieb:
Das Verschuldensprinzip des § 276 Abs.1 S.1 Halbs.1 wird danach bei „Übernahme eines Beschaffungsrisikos“ nach § 276 Abs.1 S.1 Halbs.2 Alt.2 durchbrochen und es besteht in diesem Fall eine verschuldensunabhängige Haftung.
Quelle: Jurawelten

Will heißen, wenn der :mrgreen: ein Produkt verkauft, das er selbst noch nicht hat, das aber prinzipiell auf dem Markt erhältlich ist, dann geht er mit dem Kaufvertrag die Verpflichtung ein, es für den Käufer zu besorgen. Verletzt er diese Pflicht, kann der Käufer Schadenersatz statt Leistung verlangen, also z. B. die Mehrkosten eines Ersatzkaufs zzgl. Rechtsverfolgungskosten des Käufers (z. B. wenn dieser zur Durchsetzung seiner Ansprüche einen Rechtsanwalt beschäftigt).

Es handelt sich um eine sogenannte Gattungsschuld, denn der Käufer hat nicht ein konkretes, nur einmal vorhandenes Fahrzeug (mit der Fahrgestellnummer XYZ123) bestellt sondern nur einen bestimmten Fahrzeugtyp in einer bestimmten Farbe. Solche Fahrzeuge sind auf dem Markt zu finden und somit ist es dem :mrgreen: zuzumuten, auch wenn der Hersteller ihn nicht beliefert, ein solches Fahrzeug innerhalb der Lieferfrist zu besorgen.

Alle meine Angaben erfolgen natürlich ohne Gewähr und ausdrücklich von einem juristischen Laien. Es geht mir auch nicht speziell um meinen eigenen Fall - ich selbst bin von juristischen Schritten noch weit entfernt, aber man will ja wenigstens wissen, welche Möglichkeiten man als Verbraucher im Falle eines Falles hätte.
 
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