Alle: Drehmoment für Radmuttern

...Drehmomentschlüssel .... Fehler von +-8 Nm und dann ist es wohl egal ob 100 Nm oder 105 Nm, ...
Das ist m. E. nicht egal... wenn ich mit 100 Nm anziehe, können es dann - den Fehler berücksichtigt - auch mal nur 92 Nm sein. Wenn ich mit 105 anziehe dann sind es immerhin schon 97 Nm schlimmstenfalls... also von daher sollte man schon die korrekten Werte nehmen...
 
@Udo2009

... du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass ein Reifendienst alle Anzugsmomente für die Fahrzeuge im Kopf hat oder hast du schon mal einen nachschlagen sehen. Vielleicht hängt das Anzugsmoment von der Felgen- bzw. Reifengröße ab was ich allerdings nicht weiss.
Ich unterstelle mal, dass alle Alus mit z.B. 110 Nm angezogen werden, egal ob Note oder QQ oder sonst was. Ich möchte auch nicht wissen, wann der Drehmomentschlüssel zum letzten Mal beim Kalibrieren war.
Ich werde trotz allem bei meinem Händler mal nachfragen wie er es mit den Anzugsmomenten hält und lasse mir das Kalibrierzertifikat vorlegen. Hoffentlich fliege ich nicht gleich raus.
 
..Vielleicht hängt das Anzugsmoment von der Felgen- bzw. Reifengröße ab was ich allerdings nicht weiss.
Ich unterstelle mal, dass alle Alus mit z.B. 110 Nm angezogen werden, egal ob Note oder QQ oder sonst was. ......
Das hängt auch von der Radbolzenstärke ab.
 
Also meiner hat nicht vorher am Drehmomentschlüssel gedreht. Als ich ihn dann fragte "muss ich die Schrauben nach ein paar km nachziehen, und wenn ja mit wieviel" zuckte er kurz, guckte dann auf seinen Drehmomentschlüssel und sagt "naja so ca. 115 - 120"...
 
Ich habe lange gezögert hier was zu schreiben. Es ist verdammt lang her, dass ich Studenten an der Uni was über Schraubverbindungen erklärt hab. Die hatten damals dabei schon ganz ordentliche theoretische Vorkenntnisse in Mathematik und Technischer Mechanik, die kann ich hier so nicht voraussetzen. Trotzdem waren es noch zwei Doppelstunden um durch die Berechnung einer Schraubverbindung durchzukommen. Da ging es um die Nachgiebigkeit von Gewinde, Schaft, Kopf und Mutterngewinde, Ersatzquerschnitt, Klemmkraft, Vorspannkraft, Anziehfaktoren, Setzung, statische und dynamische Betriebskraft, alles gipfelt dann in einem Verspannungsdiagramm, bevor man überhaupt zum Anzugsmoment kommt. So kann ich das hier nicht erklären. Und wenn ich bei Adam und Eva anfange werde ich erst recht nicht fertig.

Wer es genau wissen möchte, den kann ich hier nur auf die umfangreiche Fachliteratur zu dem Thema verweisen. Aber so ansatzweise, ohne Formeln und eigentlich eher nur die Schlusszusammenfassung ist hier wohl doch sinnvoll.

Es gibt eine ganze Menge Faktoren, die dabei mitspielen. Zur Berechnung des theoretischen Anzugsmoments braucht man

  1. die notwendige Vorspannkraft, die wiederum resultiert aus der Geometrie der Schraube und der Belastung der Verbindung
  2. Flankendurchmesser
  3. Gewindereibwert
  4. Steigungswinkel
  5. Reibwert der Kopfauflage
  6. Außendurchmesser der Kopfauflage
  7. Bohrungsdurchmesser
Die notwendige Vorspannkraft und die Abmessungen kennt man ziemlich genau. Sieht man sich die Reibwerte jedoch mal genauer an, dann wird man feststellen, dass da ein gewaltiger Haken sitzt. Eigentlich findet man schon sehr schöne Tabellen, was da einzusetzen ist. Nur dass sind mehr oder weniger theoretische Mittelwerte. Man findet mit etwas mehr Aufwand auch Tabellen, die was zur Streubreite der Reibwert sagen. Teilweise ganz simpel. Stahl auf Stahl ungeschmiert > 0,3. Damit kann man dann gar nichts anfangen. Oder welche, die beidseitige Grenzwerte angeben:

  • Normalstahl, gedrehte Oberfläche, unbeschichtet, trocken: 0,45 bis 0,80
  • Normalstahl, gedrehte Oberfläche, unbeschichtet, geölt: 0,08 bis 0,16
Das erklärt auch, warum in den einfachen Tabellen immer wieder unterschiedliche Werte auftauchen, für Stahl auf Stahl geölt z.B. 0,10 oder 0,12. Die tatsächliche Streuung ist so gross, dass es schon bei diesem einen Faktor auf 20 % gar nicht ankommt. Man arbeitet hier eh mit einer Unsicherheit von rund plus/minus 50%. Und die schlägt auch noch zweimal zu, einmal im Gewinde, einmal in der Kopfauflage. Da der Zusammenhang zwischen den beiden Stellen nur teilweise zufällig, teilweise auch systematisch ist, addieren sich die beiden Toleranzen nicht ganz, in Summe sind es "nur" so rund 70%.

Selbst mit dem bekommt man dann nur ein theoretisches Anzugsmoment. Jetzt kommt nämlich, bei der letzten Rechnung noch ein empirischer Faktor drauf, um zum praktischen Anzugsmoment zu kommen. Ich schreib einfach mal die Tabelle rein, aus der der Wert kommt.

  • Mechanische Längenmessung 1,1 bis 1,5
  • Streckgrenzen~ oder drehwinkelgesteuertes Anziehen: 1,2 bis 1,4
  • Hydraulische Anziehen: 1,2 bis 1,6
  • Drehmomentschlüssel: 1,4 bis 1,6
  • Drehschrauber: 1,7 bis 2,5
  • Impulsgesteuertes Anziehen mit Schlagschrauber: 2,5 bis 4,0
Mit diesen Faktoren multipliziert man das berechnete theoretische Anzugsmoment. Besonders beim Schrauber kommt da noch mal eine Toleranz dazu die mindestens eben so gross ist wie die bei der Reibung. Man landet also am Ende für so eine Verschraubung wie die bei Radmuttern oder Stehbolzen bei etwas, das eine Toleranz von rund Faktor 2 hat!

Das sollte man wissen, wenn man zwei "etwas" unterschiedliche Empfehlungen fürs Anzugsmoment am Drehmomentschlüssel diskutiert.

Das Ganze funktioniert eigentlich in der Praxis trotzdem, weil es mindestens 4, normalerweis 5 Schraubverbindungen an einem Rad sind. Das nennt man mehrfache Redundanz. Die Zentralverschraubung wie bei Rennrädern ist nicht ohne Grund für den Strassenverkehr nicht zugelassen.
 
Naja, so ein Thread ist fast so unterhaltsam zu lesen, wie der in einem anderen Forum, wo darüber diskutiert wurde, ob die einfache Drehmomentschlüssel vom Discounter zu gebrauchen wären. Dort kam man zum Schluss, dass die "billigen" Teile für Radmuttern ja garnicht hinreichend genau genug wären. :mrgreen:

Auch die Praxis mancher "Radschrauber", die Bolzen/Muttern bei der Radmontage zu fetten, ist ja so eine "merkwürdige" Sache. Zumindest ich würde solche Fachbetriebe in Zukunft meiden.

Gruss Wachbaer
 
Warum ich so lange gezögert hab? Das war schon eher Archäologie als Maschinenbau, ziemlich tief im Gedächtnis gegraben, solange ist das her.

Zur Genauigkeit von Drehmomentschlüsseln: Es ist gute Praxis, dass Messmittel genauer sein sollen als die Toleranz des Wertes, den es zu messen gilt. Faustformel mindestens Faktor 3, sonst ist die Wahrscheinlichkeit, dass man falsch misst zu gross, maximal Faktor 10, sonst schmeisst man Geld umsonst zum Fenster raus. Ordentliche Drehmomentschlüssel haben ±4% oder ±6% vom Skalenendwert, berücksichtigt man dann noch, dass man ggf. nur 1/3 der Skala ausnutzt, steigt das schon auf ±12% bis ±18% des Sollwerts. Ist also 1/6 bis 1/8 zur oben genannten Toleranz mit rund Faktor 2 fürs Drehmoment, passt also gut zur genannten Faustformel. Da Privatleute die Dinger auch ewig benutzen, ohne sie kalibrieren zu lassen, tut die Reserve zum Faktor 3 auch ganz gut.

Leider wird nun tatsächlich Billigschrott verkauft, der nach ein paar Jahren in der Garage eher bei ±40% als bei ±4% liegt; tatsächlich nicht mehr besser als Freihand gut geschätzt. Da ist es dann nicht sinnvoll, einem solchen Erwerb zuzuraten, 20 Euro für Müll auszugeben, der einem nur Pseudogenauigkeit vorgaukelt.
 
.... Praxis mancher "Radschrauber", die Bolzen/Muttern bei der Radmontage zu fetten, ist ja so eine "merkwürdige" Sache. Zumindest ich würde solche Fachbetriebe in Zukunft meiden.
Ach ja? Und warum?
Mir hat der Meister meines :mrgreen: den Tipp gegeben - als ich die Räder noch selber gewechselt habe - einen "Tropfen" WD40 auf das Gewinde der Bolzen zu geben, damit die Muttern nicht festrosten und im Frühling/Herbst einfacher zu lösen sind. Habe ich gemacht und in 10 Jahren hat sich noch nie eine Mutter gelockert.
Die Mutter "verkeilt" sich nämlich in der Auflagefläche der Felge und nicht im Gewinde... :dknow:
 
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